Die Öko-Sprösslinge vom Viktoria See
Sie wollen, dass es ihren Kindern und Enkeln einmal besser geht – darum haben sie sie weggeschickt. 24 Erwachsene – meist Frauen und einige Männer – sitzen im Schatten eines ausladenden Baumes auf dem Pausenhof der Opande Primary School im kenianischen Reru beisammen. Das nahe Fußballfeld, auf dem sonst im goldenen Licht des Nachmittages die Mädchen und Jungen toben, ist verwaist.
„Damit wir ungestört sind“, erklärt Vincent mit vielversprechend gesenkter Stimme. Dann ergreift Richard das Wort, ein nachdenklicher Mann in den 60ern: „Wir haben unsere Ersparnisse zusammengelegt und Saatgut in der Stadt eingekauft.“ Auf einem Plastiktisch liegen aufgestapelt – für alle gut sichtbar – drei Dutzend kleiner grüner Tütchen, mit denen die Gruppe in eine bessere Zukunft starten will. Denn sie hatte es satt, minderwertiges und überteuertes Gemüse von anderswoher kaufen zu müssen. „Und man weiß ja nie, ob die Früchte nicht mit Pestiziden verseucht sind“, so der Gemeindehelfer Richard.
Ein grauhaariger Mann, der auf dem Pausenhof einer Dorfschule oberhalb des Viktoria Sees an chemiebelastete Landwirtschaft denkt? – „Ja!“, erwidern wie aus einem Mund die übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Runde. „Die Sämereien sind ökologisch und lokal erzeugt, damit geht es jetzt los mit unseren neuen Hausgärten“, freut sich Vivian. Gesunde Ernährung lautet das Ziel des Projektes, das vor allem ihren Sprösslingen zugutekommen soll.
Zwölf Schritte zur Selbstständigkeit
Das Vorhaben ist nur die jüngste Episode in einer Liste diverser Aktivitäten, die die umtriebigen Leute selbst auf die Beine gestellt haben. Als zum Beispiel immer mehr Kinder in die Opande-Grundschule am Rande idyllisch grüner Hügelketten kamen, wurde der Platz irgendwann knapp. „Wir haben selbst ein weiteres Klassenzimmer errichtet“, sagt Marry stolz – und nimmt wieder auf der engen Schulbank Platz, die die Erwachsenen für ihr Meeting aus einem Raum ins Freie getragen haben. Den Lehm für die Wände holten sie vom nahen Fluss, aber das Wellblechdach mussten sie teuer bezahlen. Das konnte man sich nur über die Spargruppe leisten; sie ist inzwischen so etwas wie eine Dorf-Sparkasse.
Gemeinsam Lösungen für eine Verbesserung der Lebensumstände finden – wie das geht, erfuhren die hier versammelten Leute in der Elternschule, die Plan International unterstützte. In zwölf Sitzungen standen die Fürsorge und das Fortkommen ihrer Kinder auf dem Programm. Ein Unterfangen, das auch mit einfachsten Mitteln gelingen kann, lautete eine Erkenntnis aus den Kursen. Ein Baustein dabei: das eigene Mikrofinanzsystem. Mit einer zinsgünstigen Entleihe aus der Dorfkasse polierte so mancher bereits sein eigenes Heim auf. 188.000 Kenia Schilling liegen derzeit im sprichwörtlichen Topf parat, knapp 1.900 US-Dollar. In einer Region, in der viele von einem US-Dollar am Tag leben, ein schieres Vermögen. Die Haushaltsschüssel aus blankem Aluminium – gut gefüllt mit Scheinen – glänzt in der Abendsonne und wird wie ein Kronjuwel von der Schatzmeisterin gehütet. Wer wie viel eingezahlt oder wann entnommen hat, notiert der Schriftführer unter den Augen aller in einem Heft.
Die Kinder zuerst
Während die Schulungen für einen nachhaltigen Gemüseanbau schon erfolgreich abgeschlossen wurden, muss jetzt nur noch die Saat unter der Sonne Afrikas aufgehen. Sie soll auf jeden Fall ökologisch sein, Chemikalien kämen ihnen nicht auf die Felder, betonen die Versammelten. „Wenn bloß ausreichend Regen fällt“, sagt Marry – und blickt plötzlich erfreut zum Horizont, über dem sich ein tropisches Gewitter zusammenbraut. „Erstmal sind jetzt die Kinder dran – und dann schauen wir, ob wir nicht mehr Gemüse produzieren können, als wir selbst verbrauchen“, wirft Gemeindehelfer Richard ein. Sein nächster Traum: Reru soll über den neuen Gemüseanbau zu einem Markt- und Wirtschaftspunkt in dieser Gegend werden.