Ein Jahr Covid-19: Zunahme von geschlechtsspezifischer Gewalt weltweit
Wie war die Situation in Bezug auf frühe Heirat und häusliche Gewalt vor Covid-19?
Kinderheirat und Gewalt in der Partnerschaft sind Formen von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, von denen Mädchen und junge Frauen auch vor der Pandemie schon besonders häufig betroffen waren. Plan International engagiert sich deshalb in vielen Programmen dafür, dass Mädchen und Frauen ihr Recht auf Gesundheit, Bildung, Schutz und Entwicklungschancen wahrnehmen können. Dafür arbeiten wir auf verschiedenen Ebenen: mit den Betroffenen selbst, mit ihren Familien, Gemeinden und mit Regierungen. Jedes Jahr werden 12 Millionen Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet und jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt. Das macht deutlich, welche großen globalen Herausforderungen Kinderheirat und Gewalt in der Partnerschaft sind. Sie hängen auch eng miteinander zusammen: Studien zeigen, dass das Risiko für Mädchen, körperliche oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner zu erfahren, um 50 Prozent höher ist, wenn sie vor ihrem 15. Lebensjahr heiratet. Auch beschreiben verheiratete junge Mädchen ihre erste sexuelle Erfahrung eher als erzwungen.
Was hat sich durch die Pandemie verändert?
Aufgrund der Pandemie war und ist es für Mädchen und junge Frauen schwieriger geworden, Schutz und Hilfe zu erhalten, denn viele Schulen, Polizeistationen, Gesundheitsdienste und Selbsthilfegruppen in den Gemeinden waren aufgrund von Lockdowns geschlossen. Die Pandemie hat auch die wirtschaftliche Sicherheit und damit die Lebensgrundlage vieler Familien beeinträchtigt. Wir wissen, dass Kinderheirat in Zeiten akuter Armut manchmal als Lösung gesehen wird, um die Zukunft eines Mädchens und ihrer Familie zu sichern. Das lässt die Zahlen steigen. Stress innerhalb der Familien aufgrund fehlender Beschäftigung erhöht außerdem das Risiko, dass es zu häuslicher Gewalt kommt.
Konnte Plan mit seinen Nothilfemaßnahmen etwas bewirken?
Seit Beginn der Pandemie setzt Plan International alles daran, die Rechte von Mädchen auch in dieser schwierigen Situation zu schützen und ihren Stimmen Gehör zu verschaffen. Der Bericht "Living Under Lockdown" hat untersucht, was wir aus früheren Krisen (wie z.B. Ebola) gelernt haben und jetzt mitnehmen konnten.
Für uns war es im vergangenen Jahr sehr wichtig, Mädchen und Frauen virtuelle Alternativen anzubieten, damit sie sich Hilfe holen konnten. Wir haben unsere Partner in den Gemeinden zudem unterstützt, um gefährdeten Mädchen und Familien sicheren Zugang zu lokalen Informations- und Gesundheitsdiensten anzubieten. Beispielsweise haben wir nationale Notfalltelefone für Mädchen und junge Frauen eingerichtet, damit sie Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt melden konnten. Parallel haben wir lokale Partner und Regierungen darin geschult, wie sie Gewalt vorbeugen und auch auf Gewalt reagieren können.
Wie wird sich die Pandemie weiterhin auf die Situation von Kindern auswirken?
Die Pandemie und ihre Auswirkungen werden weiterhin ein Risiko für die Sicherheit von Mädchen und jungen Frauen sein. Regierungen müssen deshalb Programme priorisieren, die Kindern und Familien helfen, mit den Folgen der Pandemie umzugehen. Organisationen wie Plan International unterstützen Mädchen und junge Frauen sowie ihre Familien und Gemeinden, damit sie sicher und geschützt leben können. Zusammen mit anderen Kinderschutz-Akteuren setzen wir zum Beispiel das Projekt "Joining Forces for Africa" zum Schutz von Kindern vor Gewalt während der Corona-Krise um. Dieses soll die Widerstandsfähigkeit von Familien, Gemeinden und Institutionen in verschiedenen Ländern Afrikas stärken, um die Auswirkungen der Pandemie zu überwinden. Damit erreichen wir in den nächsten drei Jahren 718.000 Kinder in fünf Ländern.
Yang Fu ist Kinderschutzspezialistin bei Plan International Deutschland. Sie berät die Organisation rund um das Thema Prävention von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und junge Menschen, insbesondere Mädchen und junge Frauen. Yang ist seit 2016 bei Plan International und arbeitete bereits für die Plan-Büros in Kanada und der Zentralafrikanischen Republik.