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Gilcielen dachte lange, Mädchen können kein Fußball spielen. Jetzt beweist sie das Gegenteil. ©Plan International.
Gilcielen dachte lange, Mädchen können kein Fußball spielen. Jetzt beweist sie das Gegenteil. ©Plan International.
04.05.2021 - von Sarah Koch

Fußball spielen gegen Geschlechterstereotype in Brasilien

In Brasilien herrschen hartnäckige Geschlechterstereotype. Das hat weitreichende Folgen: Mädchen werden in ihrem Selbstbild und ihren Zukunftsplänen eingeschränkt nach wie vor als das „schwache“ Geschlecht und weniger wert angesehen. Das führt zu Diskriminierung und Benachteiligung in allen Lebensbereichen bis hin zu Frühverheiratung und ungewollten Frühschwangerschaften. Plan Internationals „La League“-Programm versucht, mit diesen veralteten Rollenbildern und geschlechterstereotypen Vorurteilen zu brechen und so Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern zu schaffen.

„Solange ich zurückdenken kann, wurde mir gesagt, dass Fußball nur was für Jungen ist“, sagt die 16-jährige Gilcielen, die in einer ländlichen Gemeinde im brasilianischen Bundesstaat Maranhão lebt.

Wegen dieses Vorurteils dachte sie, dass es fundamentale Unterschiede zwischen den Fähigkeiten von Jungen und Mädchen gäbe: Wenn sie nicht mit einem Ball spielen kann, müsste es noch andere Dinge geben, die sie nicht tun kann, weil sie ein Mädchen ist. „Meine Gemeinde ist klein, aber die Vorurteile sind groß, und sie halten sich hartnäckig. Ich dachte früher, dass Jungs keinen Schmerz empfinden und dass Mädchen und Frauen zerbrechlich und schwach sind.“

Diese Weltanschauung hindert viele Mädchen daran, sich zu entfalten und ihre Ziele zu erreichen. Um diese Einstellungen und Denkweisen zu verändern, hat Plan International das Mädchenprojekt „La League“ ins Leben gerufen, in dem Mädchen und Jungen im Alter von 12 bis 18 Jahren aus neun Gemeinden in den Codó und Timbiras zusammen spielen. Geschlechtergerechtigkeit im Sport ist dabei nicht nur Ziel, sondern auch Methode, um Geschlechterklischees aufzubrechen, Gleichberechtigung zu fördern und Mädchen und Jungen gleichermaßen zu stärken. Denn Sport vermittelt Fairness, Teamgeist, gibt Selbstvertrauen und verbindet Menschen - egal welches Geschlecht. So kann langfristiges Engagement nachhaltige, strukturelle Veränderungen schaffen.

Als großer Fan der brasilianischen Fußballnationalmannschaft findet Gilcielen Inspiration, wenn sie professionelle Sportlerinnen beim Fußball zuschauen kann. „Marta und Forminga sind meine Vorbilder. Sie sind super stark und kämpfen gegen alle Widerstände für ihre Träume“, erzählt sie.
Die Teilnahme am „La League“-Programm war für Gilcielen ein Wendepunkt. Denn neben dem Fußballspielen nimmt sie gemeinsam mit anderen Jugendlichen auch an Workshops zu Kinderrechten und Diskussionen über soziale und politische Themen teil. All das stärkt ihr Selbstbewusstsein, ihre Leadership-Fähigkeiten und andere Kompetenzen, die sie auf das Berufsleben vorbereiten.

Das Projekt konnte zahlreiche Mädchen, Jungen, Betreuer:innen und Gemeindemitglieder mit der Botschaft der Gleichstellung der Geschlechter erreichen. Ein primäres Ziel hierbei ist das Beenden von Frühverheiratung und Teenagerschwangerschaften. Hierzu werden auch Männer und Jungen angesprochen und Eltern ermutigt, mit ihren Töchtern wie mit ihren Söhnen bei Sportevents teilzunehmen.


"La League" im Lockdown

Auch während der Corona-Pandemie ist das Projekt eine wichtige Stütze für Mädchen und junge Frauen wie die 18-jährige Luciana. Sie geht noch zur Schule und lebt mit ihrer siebenköpfigen Familie in einer Kleinstadt im Nordosten Brasiliens. Da ihre Schule nun geschlossen ist, vermisst Luciana ihre tägliche Lernroutine.

Sie erklärt, dass das „La League“-Projekt ihr Wege aufgezeigt hat, um mit den Herausforderungen der Pandemie besser umgehen zu können. Das betrifft zum Beispiel eine Sensibilisierung für das erhöhte Risiko von Gewalt gegen Frauen und Kinder: In Brasilien gibt es seit Beginn der Quarantäne einen starken Anstieg von häuslicher Gewalt.

„Ich habe viel über die Gesetze gelernt, die Jugendliche schützen. Also weiß ich, an wen ich mich wenden kann, wenn etwas passiert, und auch, wie ich anderen Mädchen helfen kann“, sagt Luciana. Durch das Projekt habe sie  zudem gelernt, mit geschlechtsspezifischen Vorurteilen umzugehen, die sie als junge Frau in der Gesellschaft einschränken: „Wenn meine Mutter mir eine Aufgabe gibt, die sie nie meinen Brüdern gibt, dann kann ich kommunizieren, dass das ungerecht ist. In den Workshops haben wir gelernt, wie wir in solchen Fällen argumentieren können.“

Trotz der Herausforderungen, die der Lockdown mit sich bringt, ist Luciana optimistisch. Durch regelmäßige Online-Diskussionen, die von den Projektleiter:innen des „La League“-Projekts über WhatsApp organisiert werden, bleibt sie mit ihren Freundinnen in Kontakt. „Wir machen mit unserem Leben weiter. Bald wird diese Pandemie vorbei sein und wir werden alle wieder zusammen in den Schulen, bei den Projektaktivitäten und auf dem Fußballplatz sein“, sagt Luciana zuversichtlich.