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Klimastreik am 25. September 2020
25.09.2020 - von Expert:innengruppe Flucht und Migration des Plan-Jugendbeirats

Klima, Flucht und Gender - Keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit!

Heute (am 25.09.2020) werden wieder Menschen weltweit auf die Straße gehen und für Klimagerechtigkeit protestieren. Klimagerechtigkeit ist auch eine Frage von Geschlechtergerechtigkeit. Denn Mädchen und Frauen sind den Risiken der Klimakrise häufig wesentlich stärker ausgesetzt als ihre männlichen Altersgenossen. Für nicht-binäre Menschen existieren kaum Daten. Die Klimakrise ist zunehmend auch ein Grund dafür, dass Menschen fliehen müssen. Grund genug, uns heute am Tag des globalen Klimastreiks einmal damit auseinanderzusetzen, wie Klima, Flucht und Gender zusammenhängen.

Klimakrise als Fluchtursache

Im Januar dieses Jahres entschied das UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) zum ersten Mal, dass Menschen, die aufgrund von direkter Bedrohung durch den Klimawandel fliehen müssen, nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden dürfen. Auch wenn diese Entscheidung für Staaten nicht rechtsverbindlich ist, baut es dennoch Druck auf,Menschen als Geflüchtete anzuerkennen, die aufgrund von Klimaveränderungen ihr Land verlassen müssen. Dies ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, denn Umweltmigration ist bereits eine Realität: 

Jährlich müssen 25,4 Millionen Menschen aufgrund von Naturkatastrophen fliehen. Aber nicht nur Katastrophen zwingen Menschen, ihren Heimatort zu verlassen, sondern auch langsame Veränderungen wie die Versauerung der Ozeane, die für Fischer:innen eine Lebensgrundlage darstellen, Wüstenbildung, zunehmender Wassermangel und Küstenerosion tragen dazu bei, dass Menschen keine Möglichkeit mehr haben, an ihrem Heimatort zu leben. Deshalb wird die Anzahl der Menschen, die aufgrund der Klimakrise fliehen müssen in den kommenden Jahren weiterhin ansteigen, insbesondere dann, wenn wir es nicht schaffen, die menschengemachte Erderwärmung unter 1,5°C zu begrenzen.

Warum sind Mädchen und Frauen stärker vom Klimawandel betroffen? 

Gender spielt eine Rolle dabei, wie die Auswirkungen der Klimakrise erlebt werden. Eine Studie der Weltnaturschutzorganisation warnt: Die Gewalt gegenüber Mädchen und Frauen wird durch die Klimakrise zunehmen. Mädchen und Frauen besitzen zum Beispiel durch diskriminierende Gesetze oftmals kein eigenes Land, durch das sie sich versorgen könnten. Wenn aufgrund der Klimakrise die Ressourcen dann knapper werden, sind Mädchen und Frauen Ausbeutung noch stärker ausgesetzt. Dazu kommt eine angespannte gesellschaftliche Lage und posttraumatische Belastungsstörungen nach Naturkatastrophen, die Gewalt an Mädchen und Frauen steigern. Nach dem Taifun “Haiyan” in Thailand 2013 stieg der Menschenhandel dort um 30 Prozent an. Malawi gab Kinderehen als ein besonderes Risiko für Mädchen nach Überschwemmungen an. Während Mädchen und Frauen also besonders stark von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, haben sie gleichzeitig häufig weniger Möglichkeiten, sich davor zu schützen oder davor zu fliehen:

Die Wiederstandsfähigkeit einer Gemeinde hängt von vielen Faktoren ab

Um die Beziehung zwischen Migration und Klimawandel zu verstehen, muss man folgendes in Betracht ziehen: Migration ist ein multikausales und multidimensionales Phänomen. Umwelt und Klimafaktoren stehen oft in Verbindung zu sozialen, wirtschaftlichen, politischen und demographischen Aspekten. All diese Faktoren gemeinsam bestimmen wie resilient eine Gemeinschaft gegenüber den Gefahren und Auswirkungen des Klimawandel ist. Während die Einflüsse von Umweltzerstörung und Klimawandel überall in der Welt spürbar sind, müssen kontextuelle Unterschiede wie wirtschaftliche, soziale, wirtschaftliche, ökologische und personelle Umstände zusätzlich betrachtet werden, um die jeweiligen Auswirkungen auf einzelne Personengruppen nachvollziehen zu können. Dabei ist entscheidend, dass - je nach ihrem sozialen Kontext - die Auswirkungen auf das Leben von Mädchen und Frauen unterschiedlich zu denen von Jungen und Männern wahrgenommen werden.

Krisen verschärfen ohnehin bestehende Ungleichheiten

Ausschlaggebend für geschlechtsspezifische Klimaverwundbarkeit und Migrationschancen ist nicht das biologische Geschlecht, sondern das soziale Geschlecht. Das soziale Geschlecht drückt das gesellschaftlich geprägte Rollenverständnis und Rollenverhalten aus, das mit struktureller Ungleichheit verbunden ist. Dies zeigt sich beispielsweise dann, wenn Mädchen und Frauen aufgrund der ihnen zugeschriebenen passiveren, emotionaleren Verhaltensweise seltener für Führungspositionen vorgesehen sind oder ihnen der Zugang zu finanziellen Ressourcen erschwert wird. Aufgrund patriarchaler Geschlechternormen bei der Familien- und Haushaltsversorgung, erscheint eine individuelle Flucht vor Extremereignissen für Frauen weniger legitim. Diese Formen struktureller Ungleichheit treten in Regionen mit häufigen klimawandelbedingten Extremereignissen noch deutlicher zu Tage, da gerade dort die Folgelast (z.B. Pflege von Verletzten, Versorgung der Familie unter erschwerten Bedingungen, Suche nach knappen Lebensmitteln) von Mädchen und Frauen getragen wird. Aufgrund dessen ist die Zahl der Todesfälle von Frauen nach Naturkatastrophen deutlich höher in Ländern mit besonders hoher Ungleichheit der sozialen und ökonomischen Stellung von Frauen und Männer.

Was muss getan werden, um Migrant:innen besser zu schützen?

Damit diejenigen, die aufgrund des Klimawandels und seinen Folgen fliehen besser geschützt sind, müssen internationale Gesetze angepasst werden.

Gut gemanagte Migration kann zu Entwicklung und Bemühungen zur Anpassung an und Verminderung des Klimawandels beitragen. Zum Beispiel kann die Entwicklung von bilateralen und multilateralen Migrationsabkommen die Involvierung von Migrant:innen und der Diaspora-Community in Anpassungs-Aktivitäten an den Klimawandel fördern und Möglichkeiten der  sicheren und legalen (Arbeits-)migration im Kontext von schlechter werdenden Umweltbedingungen bieten.

Zudem können Mädchen und Frauen viel bewegen: Laut UN-Generalsekretär Antonio Guterres sind Frauen und Mädchen auf dem Land eine mächtige Kraft, wenn es um globales Handeln gegen den Klimawandel geht. Zum Internationalen Tag der ländlichen Frauen am 15.10.2019 sagte Guterres: “Frauen im ländlichen Bereich zuzuhören und ihre Stimmen zu verstärken, ist zentral, um Wissen über den Klimawandel zu verbreiten und Regierungen, Unternehmen und Gemeindeleiter:innen zum Handeln zu bewegen.” Sie seien Quelle von Wissen und Fähigkeiten, die es Gemeinschaften erlauben würden, naturbasierte und kohlenstoffarme Wege zu finden und sich an die großen Herausforderungen unserer Zeit anzupassen. Mädchen und Frauen seien die frühen Umsetzerinnen neuer landwirtschaftlicher Techniken, Ersthelferinnen in Krisen und Unternehmerinnen grüner Energie. 

Keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit

Bei den internationalen Verhandlungen für Klimavereinbarungen stehen leider immer noch nationale Interessen im Vordergrund, obwohl es um ein globales Problem geht. Auch wenn UN Women, die Frauenorganisation der Vereinten Nationen, schon 2009 festgestellt hat, dass "die Risiken des Klimawandels nicht geschlechtsneutral sind", hat dies bisher keine Folgen für ein breites Gender-Mainstreaming (also die Berücksichtigung und den Einbezug des sozialen Geschlechts in alle Maßnahmen), geschweige denn geschlechterbezogene finanzielle Entschädigungen gehabt.

Schon bei der Klimakonferenz auf Bali 2007 forderten feministische Netzwerke und Organisationen: "Keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit". Als großer Erfolg wurde von ihnen 2014 das Lima Work Programme on Gender gewertet. Es fordert alle Vertragsstaaten auf, in ihrem jährlichen Bericht zur Umsetzung nationaler Klimaziele Geschlechteraspekte zu berücksichtigten. Wie bei allen geschlechter-politischen Vereinbarungen der UN-Vertragsstaaten ist allerdings keine Sanktionierung bei Nicht-Umsetzung des Programms vorgesehen. Seine Durchschlagskraft bleibt damit begrenzt. In der Präambel des Paris-Abkommens von 2015 wird gefordert, dass Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und die Stärkung von Frauen in allen Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen zu berücksichtigen ist. Dieser Vertrag ist völkerrechtlich bindend - doch die meisten Vertragsstaaten halten weder ihre dort niedergeschriebenen CO2-Reduktionsziele noch das Versprechen, Gender besser zu berücksichtigen, ein.

Dabei könnten die Stimmen von Mädchen und Frauen ein wichtiger Gewinn für die Klimapolitik sein. Indem sie aber selten Gehör finden, entgehen ihr wichtige Lösungsvorschläge sowie alternative Ideen und Perspektiven. Eine Untersuchung zeigt: Neben dem Bruttosozialprodukt ist der Gleichstellungs-Status der Geschlechter der Faktor mit der größten Wirkung auf die CO2-Minderung! Anhand von Kommunen in Skandinavien, die dort, wo sie genderdifferenziert planen auch die höchsten Werte für Klima-Engagement haben, lässt sich dieses Ergebnis bestätigen. Dies könnte zwar auch mit weiteren Faktoren oder einer allgemein fortschrittlicheren Politik zusammenhängen, aber fest steht: Dort, wo Politik so gemacht wird, dass sie die Rechte und die besondere Betroffenheit von Mädchen und Frauen mitdenkt und in Handeln umsetzt, wird auch Klimaschutz effektiver.