Politische Mitbestimmung in Togo
Nach großer Wiedersehensfreude lernten wir aber zunächst einmal die Projektarbeit von Plan International Togo besser kennen. In Togo wird, wie auch in Ägypten, Guatemala, Peru, Kambodscha und Laos, das Girls LEAD ('Leiten') Programm umgesetzt. Durch dieses Programm unterstützt Plan International junge Menschen und vor allem Mädchen und junge Frauen darin, ihr Recht auf Mitbestimmung wahrzunehmen. Denn etwa die Hälfte der Weltbevölkerung sind unter 30 Jahre alt und mehr als ein Viertel sogar unter 15 Jahre. Dennoch sind nur 2% der Abgeordneten weltweit unter 30 Jahren alt und nur 23% aller Abgeordneten sind Frauen. Junge Menschen und Mädchen und Frauen werden daher häufig nicht ausreichend repräsentiert und ihr Potential Gesellschaft zu gestalten wird nicht ausgeschöpft (übrigens liegt der Anteil von als Frauen gelesenen Menschen im deutschen Bundestag auch nur bei 30,9%).
In Togo arbeitet Plan International mit unterschiedlichen Jugendgruppen zusammen, die sich zum Ziel gesetzt haben, geschlechtsbasierte Gewalt zu beenden. Dazu treten die jungen Aktivist*innen zum Beispiel mit Gemeinden und führenden Personen religiöser Gemeinschaften in den Dialog und setzen sich für Veränderungen ein.
Neo-, Post-Kolonialismus und Eurozentrismus
Durch einen Vortrag von Zuher Jazmati, Referent der Organisation Glokal e.V., die macht-kritische Bildungsarbeit durchführt, setzten wir uns anschließend mit den Themen (Neo-)Kolonialismus, Postkolonialismus und Eurozentrismus auseinander. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden viele Länder des globalen Südens durch westeuropäische Staaten wie Großbritannien, Frankreich, Belgien und Deutschland kolonialisiert. Das heißt, die westeuropäischen Länder beanspruchten die herrschende Macht in den jeweiligen Ländern zu sein. Die Kolonialisierung ging einher mit der Ausbeutung natürlicher und wirtschaftlicher Ressourcen, Abwertungen von Menschen und anderen Menschenrechtsverletzungen und der Auferlegung von westlichen Gesellschaftssystemen, Werten und Hierarchien. So wurde zum Beispiel Togo 1884 bis 1916 von Deutschland kolonialisiert und stand anschließend bis 1960 unter französischer Verwaltung. Der Postkolonialismus setzt sich mit den Folgen der Kolonialzeit auseinander: So führten die von den Kolonialmächten errichteten Hierarchien häufig nach der Unabhängigkeit der kolonialisierten Länder zu diktatorischen Regimen und sozialen Konflikten und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zu ökologischen und wirtschaftlichen Problemen. Heute ist die Kolonialisation von anderen Ländern völkerrechtlich verboten und alle ehemaligen kolonialisierten Länder sind staatsrechtlich unabhängig von den ehemaligen Kolonialstaaten. Nichtsdestotrotz nehmen diese Einfluss auf die wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung in vor allem den ehemaligen kolonialisierten Ländern und versuchen diese zu ihren eigenen Gunsten mitzubestimmen. Dies geschieht zum Beispiel durch die Errichtung wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Das bezeichnet man als Neokolonialismus.
Rassismus und Klimagerechtigkeit
Zur Rechtfertigung der Kolonialisierung anderer Staaten entwickelten Naturwissenschaftler*innen, aber auch Philosoph*innen, Politiker*innen und religiöse Leitungspersonen in den Kolonialstaaten rassistische Ideologie, welche Menschen in „Rassen“ einteilten und einzelne „Rassen“ über andere stellten. Die Abwertung der Bevölkerung der kolonialisierten Staaten und dem Vorwand diese „zivilisieren“ zu müssen ging einher mit der Kolonialisierung und der oft sehr grausame Behandlung von Menschen. Der Rassismus führte zu Völkermorden wie dem Vernichtungskrieg der deutschen Kolonialmacht an den Herero und Nama in Namibia und der Katastrophe des Nationalsozialismus. Dieser Rassismus ist auch weiterhin in unserer Gesellschaft tief verankert, wie der rassistische Terror in Hanau und die alltäglichen Erlebnisse von Menschen mit Rassismuserfahrungen zeigen.
In einer weiteren Einheit lernten wir mehr über Klimarassismus: Denn die Kolonialstaaten haben durch ihre Entwicklung und ihren Umgang mit natürlichen Ressourcen zu globalen Umwelt- und Klimaproblemen überproportional beigetragen. Die Konsequenzen der Klimakrise und Umweltzerstörung treffen dagegen besonders hart aber die Staaten und Menschen, die am wenigsten zu ihrer Verursachung beigetragen haben. In internationalen Verhandlungen und Entscheidungen werden ihre Stimmen und Forderungen jedoch oft nicht gehört oder haben nicht dieselbe Macht wie die der Industriestaaten.
Und unsere Rolle?
Aufbauend auf diesem Wissen reflektierten wir unsere eigene Rolle und Verständnis: Warum engagieren wir uns in einem entwicklungspolitischen Kontext? Worum geht es bei der 'Entwicklung' in der Entwicklungszusammenarbeit? Welche Rolle spielt Entwicklungszusammenarbeit im Neokolonialismus? Inwiefern geschieht die Zusammenarbeit auf Augenhöhe oder nicht? Welche Bilder vermitteln wir und welche Stimmen finden Gehör? - das waren einige der Fragen, die wir uns in diesem Kontext stellten und auch weiterhin stellen werden. In den kommenden Monaten werden wir uns weiter intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen.
Viel Spaß und ganz viel PLANung
Trotz intensiver Diskussionen und kritischer Selbsthinterfragung kam natürlich auch der Spaß und das Miteinander nicht zu kurz. Mit Teambuilding-Aktivitäten, wie einem Escape-Room-Spiel und gemeinsamen Essen hatten wir eine schöne gemeinsame Zeit. Außerdem planten wir unsere Aktionen für die kommende Zeit, zu denen unter anderem die Frauenrechtskonferenz der Vereinten Nationen und ein Girls Get Equal Live Summit zum Thema 'Girls Freedom Online' zählen, sowie noch vieles mehr. Ihr dürft also gespannt sein.
Fazit: Hinter uns liegen drei interessante, aufschlussreiche und schöne Tage und wir sind voller Energie und Motivation für die Zeit, die vor uns liegt.