Es ist ein wichtiges Signal im Kampf gegen Kinderheirat: Der oberste Gerichtshof in Tansania kippte am gestrigen Mittwoch den Versuch der Regierung, das Mindestalter für Eheschließungen von 18 auf 14 Jahre herunterzusetzen. Hintergrund ist ein Beschluss des Gerichtes aus dem Jahr 2016, der die Ehe für Mädchen und Jungen unter 18 Jahren verbietet. Die Regierung weigerte sich jedoch, die Regelung umzusetzen. Sie hatte dagegen Berufung eingelegt - und ist damit jetzt gescheitert.
„Es ist ein historischer Tag für die Rechte der Mädchen in Tansania“, sagte Dr. Mona Girgis, Länderdirektorin von Plan International in Tansania. Frühverheiratung ist in dem ostafrikanischen Land eine weit verbreitete Praxis, vor allem in ländlichen Regionen. „Generationen von Mädchen haben dadurch ihre Zukunft verloren.“ Das Land hat eine der höchsten Raten an Frühverheiratung weltweit. Etwa jedes dritte Mädchen dort wird vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. In manchen Regionen sind sie bei ihrer Hochzeit noch nicht einmal 11 Jahre alt.
„Das Urteil des obersten Gerichtshofs ist ein großer Fortschritt“, sagt Rebeca Gyumi, Anwältin für Menschenrechte. „Die Regierung muss jetzt ihrer Verpflichtung nachkommen, indem sie das Urteil des Gerichts vollstreckt und letztendlich auch das Gesetz ändert.“ Gyumi hatte 2016 eine Petition beim obersten Gerichtshof eingereicht, in der sie die Regierung Tansanias aufforderte, das Ehegesetz von 1971 zu ändern, das es Mädchen erlaubte, ab einem Alter von 14 Jahren zu heiraten. Der Gerichtshof entschied damals, Eheschließungen unter 18 Jahren als verfassungswidrig zu erklären und wies die Regierung an, das Mindestalter für eine Heirat auf 18 Jahre zu erhöhen. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Berufung gegen das Urteil ein, weil sie darin eine Gefährdung der traditionellen und religiösen Werte sah.
Frühverheiratung betrifft Mädchen ebenso wie Jungen. Jedoch leiden Mädchen besonders schwer unter den Folgen. „Eine Ehe wirkt sich in vielerlei Hinsicht negativ auf das Leben minderjähriger Mädchen aus. Es beraubt sie nicht nur ihrer Rechte, sondern auch ihrer Kindheit. Mädchen, die vor dem 18. Lebensjahr verheiratet werden, sind einem hohen Risiko ausgesetzt, die Schule abzubrechen, sehr früh Mutter zu werden, an Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt zu sterben und ein Leben in Armut zu führen“, so Dr. Mona Girgis.
Um die Frühverheiratung von Mädchen in Afrika zu beenden, führt Plan International ein umfassendes Projekt durch, das die Arbeit mehrerer afrikanischer Länder miteinander verknüpft. Ziel ist es, den generationsübergreifenden Kreislauf aus Armut, Abhängigkeit und mangelnder Bildung für Frauen in den beteiligten Ländern zu durchbrechen. Dabei werden auch traditionelle Autoritäten in die Aufklärungsmaßnahmen eingebunden. Um gesellschaftliche Entscheidungsprozesse zu beeinflussen, die sie betreffen, werden die teilnehmenden Mädchen befähigt, sich auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene auszutauschen und führende Rollen in ihren Gemeinden zu übernehmen. Das länderübergreifende Projekt mit dem Titel „Stärkung der Zivilgesellschaft zur Beendigung der Kinderheirat“ wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt.