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Kulturelles Erbe am Durba Square Kathmandu. Foto Marc Tornow
Kulturelles Erbe am Durba Square Kathmandu. Foto Marc Tornow
29.04.2015 - von Marc Tornow

Was bleibt von Kathmandu?

Eine Millionenmetropole, die sich trotz rasanten Wandels ihren besonderen Charme bewahrt hatte: Kathmandu, seine lebendigen Tempel entlang pittoresker Gassen – all das war das Erbe der Volksgruppe der Newari. Über Jahrhunderte hatten sie im Tal um die heutige Hauptstadt mit religiösem Prunk um Autorität gerungen. Eine kulturelle Hinterlassenschaft ohnegleichen! Es fällt schwer, glauben zu müssen, dass vieles davon unwiederbringlich verloren sein soll. Und wie geht es langjährigen Freunden in der Stadt, die nun ein Trümmerfeld geworden ist?


Dal-Bhat – das typisch nepalesische Linsengericht –, Spiegeleier und schwarzer Tee. Hari lachte, wie immer, wenn man morgens in der Küche im 5. Stockwerk seines Familienhauses in Kathmandu beisammen saß und mit einem Frühstück den Tag begann. Dann gab es Brot, bhutanesische Organgenkonfitüre und sogar westliche Wurst hatte man für den Besuch aus Europa gekauft. Die Gastfreundschaft meiner Freunde kannte keine Grenzen.

Sie haben alle überlebt. Zumindest diese erleichternde Nachricht ließ sich noch am Tage des schweren Erdbebens in Erfahrung bringen. Ihr Wohnhaus – einer jener schmalen, hoch aufragenden Backsteinbauten – stehe. Aber die Tage verbringe man nun draußen, die Schäden seien unklar, es sei einfach zu gefährlich, schrieb mir Sohn Samidh.

Wie Dominosteine standen hier entlang der gutbürgerlichen Gopha Marg die Wohnhäuser dicht an dicht. Das warf schon bei früheren Visiten die Frage nach der Beständigkeit der Bauten bei Erdbeben auf. Was, wenn nur eines von ihnen umkippte?

In den Gassen rund um dieses Familienheim tobten nachmittags die Kinder aus der Nachbarschaft. Ihr Lachen schallte bis hinauf in die 5. Etage, wenn sie mit den Straßenhunden spielten, hölzerne Kreisel drehten oder Papierdrachen steigen ließen – und damit die allgegenwärtigen Krähen aufscheuchten, die in das goldene Licht des aufkommenden Abends flatterten. Die Sorglosigkeit, die sich in Kathmandu manchmal in fast kitschigen Bildern zeigte, nährten fliegende Händler: Popcorn, Mandeln, Zuckerwatte – die Gassen Kathmandus erwiesen sich als kulinarisches Schlaraffenland. Wenn man das nötige Kleingeld hatte.

Nach Auffassung vieler Nepalesen leben die Götter auf den umliegenden Berggipfeln – der Himalaja-Staat ist tief religiös. Das zeigte sich bislang überall in den tagtäglichen Pujas, den Andachten und Gebeten, in vielen bunten Stadtteil- und Familienfesten, in den farbenfrohen Zeremonien und musikalisch untermalten Aufzüge – gelebte Traditionen. Es bleibt die Hoffnung, dass dieses nicht-materielle Kulturgut die Katastrophe unbeschadet überstanden hat.