Mehr als die Hälfte der Mädchen in Bangladesch wird vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. In vielen Fällen sind sie sogar jünger als 15 Jahre – obwohl Kinderehen in Bangladesch seit 1929 verboten sind. Um ihre Töchter oder Söhne trotzdem so früh wie möglich zu verheiraten, fälschen viele Eltern die Geburtsurkunden oder Personalausweise. Eine neue App, die gemeinsam von Plan International und der Regierung in Bangladesch entwickelt wurde, soll das jetzt verhindern: Mit Hilfe einer Datenbank können Standesbeamte, Geistliche oder Heiratsvermittler prüfen, wie alt Braut und Bräutigam zum Zeitpunkt der Eheschließung sind. In der sechsmonatigen Testphase konnten auf diese Weise bereits 3750 Kinderehen verhindert werden.
Die App ist mit einer Datenbank verbunden, die die Identifikationsnummer jedes Einwohners gespeichert hat – und somit auch dessen Geburtsdaten. Wird die Nummer auf dem Handy eingegeben, zeigt die App sofort mit einem grünen oder roten Licht an, ob die geplante Ehe legal ist oder nicht. Bei einem Verstoß drohen jedem, der an der Eheschließung beteiligt war, ein Bußgeld von 50.000 Taka (etwa 500 Euro) oder bis zu drei Jahre Gefängnis. Dazu gehören die Eltern der Kinder ebenso wie die Heiratsvermittler, Standesbeamten oder Geistlichen, die die Trauung durchführen.
„Es ist ein wichtiger Schritt, dass wir im Kampf gegen Frühverheiratung auch das Potenzial neuer Medien erkennen“, sagt Maike Röttger, Geschäftsführerin von Plan International Deutschland. Da inzwischen fast 80 Prozent der 160 Millionen Menschen in Bangladesch ein Handy besitzen, hat die App eine große Reichweite. Jedoch haben nur 20 Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet, weshalb es sowohl eine Online- als auch eine Offline-Version gibt, die via SMS funktioniert. So können auch schwer erreichbare ländliche Gemeinden die Technik nutzen. Die Menschen in diesen Regionen zu erreichen ist wichtig, da Kinderehen dort besonders verbreitet sind: Zwei von drei Mädchen werden bereits als Minderjährige verheiratet.
„Frühverheiratung hat verheerende Folgen für das Leben eines Mädchens: Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie nach der Hochzeit die Schule abbricht und sehr früh schwanger wird. Dadurch ist sie nicht nur einem hohen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt, sondern läuft auch Gefahr, Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt zu werden. Ihr wird damit jegliches Recht auf Sicherheit, Gesundheit und Bildung genommen“, sagt Maike Röttger.
Durch die Flüchtlingskrise und den Zustrom von Menschen aus Myanmar hat sich das Problem der Kinderheirat in Bangladesch noch verschlimmert. Viele Eltern versuchen in Notsituationen, ihre Kinder dadurch vor Armut zu schützen. Um Perspektiven zu schaffen und gesellschaftliche Strukturen aufzubrechen, leistet Plan International Aufklärungsarbeit. In Trainings lernen Standesbeamte, Geistliche oder Heiratsvermittler nicht nur, wie sie die neue App nutzen können, sondern auch, welche negativen Auswirkungen Frühverheiratung hat. Plan fördert zudem einkommensschaffende Maßnahmen für die Familien, damit die Eltern ihre Kinder nicht aus finanzieller Not heraus verheiraten müssen. Mädchen werden darin gestärkt, ihre Rechte wahrzunehmen und sich gegen eine frühe Heirat zu wehren – damit sie eine Chance auf Bildung, ein eigenes Einkommen und ein selbstbestimmtes Leben haben.
Fotos und Case Studies zum Download finden Sie in unserem Pressebereich unter: www.plan.de/pressemitteilungen.html