Informieren
  1. Magazin
Sie haben Fragen?
Ein Zurückgekehrter trägt sein Hab und Gut durch Rafah
Ein Zurückgekehrter trägt sein Hab und Gut durch die Stadt Rafah im Gazastreifen. © Plan International / Ahmed Salama
18.02.2025

Verantwortung und internationale Solidarität in Zeiten globaler Herausforderungen

Sehr geehrte Bundes- und Fraktionsvorsitzende,

wir, 10 deutsche und internationale Hilfsorganisationen im Bereich der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, wenden uns heute an Sie, um unsere wachsende Sorge darüber auszudrücken, dass die aktuelle Verschärfung des öffentlichen Diskurses den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedroht und unsere Demokratie und die Menschenrechte gefährdet. Ungleichheit, Armut und Ausgrenzung weltweit und in Deutschland verschärfen sich, während zugleich die Unterstützung für lebensrettende Arbeit in Krisen- und Konfliktgebieten der Welt schwindet.

In einer Zeit, in der die humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit weltweit unter Druck steht und die USA als größter Geber die internationale Hilfe massiv abbaut, muss die zukünftige deutsche Regierung eine stärkere Rolle übernehmen und zu ihren demokratischen Werten und ihrer internationalen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung stehen.

Deutschland trägt eine wesentliche Verantwortung, die eklatanten Ungleichheiten abzubauen. In Zeiten einer Welt mit einem Höchststand an humanitären Krisen und Bedarfen ist die Verantwortung akuter denn je. Zugleich trägt Deutschland als eine der größten Industrienationen auch eine historische Verantwortung, die sich verschärfenden akuten und strukturellen Ungleichheiten abzubauen.

Als bisher zweitgrößter bilateraler Geber für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit muss Deutschland auch zukünftig ein verlässlicher Partner sein. Die Mittel für diese essenziellen Politikfelder dürfen in den Haushaltsverhandlungen weder zur Disposition gestellt noch als politische Verhandlungsmasse instrumentalisiert werden.

Wir sind zutiefst besorgt, dass der Konsens zur internationalen Solidarität in unserer Gesellschaft und Politik erodiert. Diskriminierung und Populismus prägen zunehmend die innenpolitische Debatte. Wir befürchten, dass vor diesem Hintergrund die internationale Verantwortung Deutschlands den kurzfristigen innenpolitischen Interessen geopfert wird. Die alleinige Konzentration auf innenpolitische Themen verkennt die zunehmende Bedeutung globaler Herausforderungen wie Hunger, Flucht und Vertreibung, Konflikte und die Klimakrise.

Deutschland hat sich in der Vergangenheit stets zu seiner internationalen Verantwortung bekannt und innerhalb der globalen Gemeinschaft einen wichtigen Beitrag für die Beseitigung humanitärer Not und die Agenda 2030 geleistet. Die aktuelle Debatte jedoch zeigt deutlich, dass dieser Konsens zu kippen droht – mit fatalen und lebensbedrohlichen Konsequenzen für Millionen von Menschen in Krisen- und Konfliktgebieten, aber auch in Deutschland, beispielsweise durch Klimafolgen.

 

Wir appellieren an Sie, unsere demokratischen Werte und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu stärken und daran mitzuwirken, dass globale Verantwortung und Solidarität feste Bestandteile unseres demokratischen Selbstverständnisses bleiben.

 

Wir sind uns bewusst, dass auch wir NGOs uns an die veränderten Rahmenbedingungen in Form von steigenden Bedarfszahlen und sinkenden Mitteln anpassen müssen. Die Auflösung dieses Widerspruchs liegt jedoch nicht in der Macht von Hilfsorganisationen. Angesichts der immer lauter werdenden Rufe nach Effizienz- und Effektivitätssteigerung unseres Sektors sagen wir hier sehr deutlich: In einer Zeit, in der immer mehr Menschen unverschuldet in Not geraten, ist es trotz steigender Effizienz und Effektivität nicht möglich, mit wesentlich weniger Mitteln deutlich mehr Menschen die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Die Schere wird im Gegenteil immer weiter aufgehen.

Als zivilgesellschaftliche Organisationen setzen wir uns außerdem für den Schutz des humanitären Raums in Konfliktgebieten und den Schutz der Menschenrechte ein. Insbesondere in Zeiten, in denen diese Werte – der Schutz von Leben und die Achtung der Menschenrechte – weltweit und auch in Deutschland unter Druck geraten, ist verantwortungsvolles Handeln der Politik unerlässlich. Die Unterstützung der Zivilgesellschaft muss dabei eine Priorität sein.

In Ihrer Funktion als politische Entscheidungstragende in Deutschland fordern wir Sie auf: Wenden Sie sich nicht von Millionen von Menschen in Not ab. Setzen Sie innerhalb Ihres Amtes ein klares Zeichen für internationale Solidarität und gegen jede Form von Populismus und Diskriminierung. Menschen, die durch Kriege, Konflikte und die Klimakrise unverschuldet in Not geraten sind, dürfen nicht zur politischen Verhandlungsmasse werden.

Wir stehen Ihnen jederzeit für Gespräche zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

 

ADRA Deutschland e.V.
Christian Molke, Vorsitzender des Vorstands

Aktion gegen den Hunger
Dr. Helene Mutschler, Geschäftsführerin

Ärzte der Welt e.V.
François De Keersmaeker, Direktor

Danish Refugee Council (DRC) Deutschland
Marten Mylius, Geschäftsführer

International Rescue Committee (IRC) Deutschland
Corina Pfitzner, Geschäftsführerin

NRC Deutschland
Maike Röttger, Geschäftsführerin

Oxfam Deutschland e.V.
Serap Altinisik, Vorstandsvorsitzende

Plan International Deutschland
Petra Berner, Vorstandsvorsitzende

Save The Children
Florian Westphal, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender

Deutsche Welthungerhilfe e.V.
Mathias Mogge, Generalsekretär und Vorstandsvorsitzender