Landesweit berichten Kinder in Sierra Leone von zunehmender Gewalt gegen Mädchen und Jungen seit dem Ausbruch der Ebola-Epidemie. Plan International, Save the Children und World Vision International haben gemeinsam ein Gutachten erstellt, das zeigt, dass Kinderarbeit, die Anzahl von Schwangerschaften bei jungen Mädchen und häusliche Gewalt drastisch gestiegen ist.
Über 1.100 Mädchen und Jungen im Alter von 7 bis 18 Jahren aus neun Distrikten in Sierra Leone wurden zu den Auswirkungen von Ebola auf ihr Leben befragt. Der von UNICEF unterstützte Bericht schildert die persönlichen Erlebnisse und die Sorgen über die zerstörerischen Langzeit-Effekte, die Ebola auf das Leben von Kindern hat. Er soll der Regierung Sierra Leones helfen, die Sicht der Kinder und Jugendlichen in eine Wiederaufbau-Strategie einfließen zu lassen.
Lange Schließung der Schulen mit schweren Folgen
Die Ursache für die vielfältigen Probleme, denen die Kinder ausgesetzt sind, sehen die Befragten in der neunmonatigen landesweiten Schließung der Schulen als Bekämpfungsmaßnahme gegen die Ausbreitung des Virus. So benannten die meisten der 617 befragten Mädchen als Grund für die zunehmenden Schwangerschaften den Verlust des schützenden Schulumfelds. Erst seit dem 14. April 2015 sind Schulen für die ca. 1,7 Millionen Schülerinnen und Schüler wieder geöffnet.
Zehn Prozent der Befragten berichteten von Mädchen aus ihrem Umfeld, die im Austausch für Belange des täglichen Bedarfs wie zum Beispiel Nahrungsmittel zu sexuellen Handlungen gezwungen wurden.
Zunehmende sexuelle Gewalt seit Ebola
Die Angst vor sexuellen Übergriffen teilten viele Kinder. Die meisten kannten mindestens einen Fall von Vergewaltigung in ihrem Umfeld, auch in den von der Ebola-Quarantäne betroffenen Haushalten. Nicht nur Mädchen im Alter von 15 bis 18 Jahren, sondern auch jüngere Mädchen äußerten Angst davor, selbst Opfer zu werden. Auch die befragten Jungen wussten um die Gefahr für ihre Schwestern und Freundinnen. „Manche unserer Freundinnen werden vergewaltigt, wenn sie weiter weg gehen, um Wasser zu holen. Andere ertrinken in den Fluten“, so ein Junge aus Kailahun.
Enorme Belastung für die Kinder
Die Kinder äußern große Sorge über die Auswirkungen der sexuellen Gewalt in ihrem Umfeld. Sie befürchten psychische Schäden sowie Angst vor sexuell übertragbaren Krankheiten, Diskriminierung, Stigmatisierung und schwere Verletzungen, zum Teil mit Todesfolge. „Der Bericht bestätigt die ungeheure Belastung für das Leben der Kinder. Es wird viel Zeit brauchen, bis sie sich wieder erholen. Die Auswirkungen sind enorm“, betont Casely Coleman von Plan International.
Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen haben Vorschläge zur Vermeidung der Teenager-Schwangerschaften, Ebola-Neuinfektionen, Wiederaufbau des Gesundheitssystems und zur Stärkung der Einkommens- und Nahrungssituation gemacht.
Gemeinsame Forderungen an die Regierung
Plan International, Save the Children und World Vision International fordern die Regierung Sierra Leones dazu auf, die Sorgen und Vorschläge der Kinder und Jugendlichen in die Wiederaufbau-Strategie des Landes einfließen zu lassen. „Was die Kinder erzählt haben, sind Geschichten über vertane Chancen, Ausbeutung und Missbrauch. Wenn der Wiederaufbau gelingen soll, müssen ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Das bedeutet: Zugang zu Bildung für alle und Unterstützung, um das verlorene Schuljahr aufzuholen“, mahnt Isaac Ooko von Save the Children.
„Die Kinder haben gesprochen: Bildung, Zugang zu Gesundheitsversorgung und ein sicheres Umfeld sind ihre Prioritäten. Wir haben sie gehört und nun müssen wir entsprechend handeln“, ergänzt Leslie Scott von World Vision International.