Hamburg, 01.03.2023 –
Schmerzen ein Leben lang: Weltweit sind mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen an den Genitalien beschnitten. Der Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung am 6. Februar erinnert daran. Allein in Deutschland leben Schätzungen zufolge über 67.000 Betroffene, fast 17.000 Mädchen gelten als gefährdet. Eine schwere Menschenrechtsverletzung - mit gravierenden Folgen für die Mädchen und Frauen. Um diese aufzuzeigen und gegen die grausame Praktik vorzugehen, haben sich NALA e.V. und die Kinderrechtsorganisation Plan International zusammengetan: Mit einer gemeinsamen Paneldiskussion am 5. Februar und dem eindringlichen Kurzvideo #TheOtherVulva der jungen Filmemacherin Sarah Fürstenberg machen sie diese Woche auf die Menschenrechtsverletzung aufmerksam. Ziel der gemeinsamen Kooperation ist es, eine Auseinandersetzung mit diesem Tabuthema anzustoßen und auch in Deutschland für den Umgang damit zu sensibilisieren.
„Es muss ein Umdenken in den Köpfen stattfinden,“ sagt Fadumo Korn, die sich als Mitgründerin und Vorsitzende von NALA – Bildung statt Beschneidung e.V. seit vielen Jahren gegen die Praktik einsetzt und selbst als Siebenjährige beschnitten wurde: „Mit Verboten kommen wir nicht weit. Prävention ist der Schlüssel. Wir brauchen mehr Menschen, die auf Augenhöhe über das Thema aufklären. Das ist Sarah Fürstenberg mit #TheOtherVulva gelungen. Es ist ein Film, der in seiner Kürze unfassbar viel offenbart. Ein starker Film, der die Fantasie der Zuschauer:innen anregt und nachwirkt. Die sensible Darstellung motiviert mich, weiterzukämpfen und nicht aufzuhören, mich für die Beseitigung von Genitalverstümmelung auf dieser Welt stark zu machen!“
„Wir können die weibliche Genitalverstümmelung nur stoppen, wenn wir alle Beteiligten mit in unsere Arbeit einbeziehen“, sagt Maike Röttger, Vorsitzende der Geschäftsführung der Kinderrechtsorganisation Plan International Deutschland. „Mit erhobenen Zeigefinger lässt sich eine solche in vielen Ländern tief verankerte Tradition nicht aus der Welt schaffen. Nur durch Aufklärung und Respekt gegenüber anderen Kulturen, gelingt es uns die Menschen zu einem nachhaltigen Bewusstseinswandel zu bewegen. Auch hier bei uns in Deutschland. Der Film von Sarah Fürstenberg geht unter die unter die Haut. Er macht die Schmerzen der Frauen nachvollziehbar, ohne die praktizierenden Gemeinden zu verurteilen oder Ressentiments zu schüren.“
Sarah Fürstenberg, Absolventin der Hamburg Media School und Filmemacherin: „Vor dem Dreh von #TheotherVulva habe ich mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und mit Betroffenen ausgetauscht. Anfangs war ich sehr schockiert. Aber mir war es wichtig, die Menschen zum Hinschauen und Handeln zu bewegen, ohne grausame Bilder zu zeigen. Ich freue mich sehr, hier mit NALA und Plan International zwei Organisationen im Boot zu haben, die das genauso sehen, um mit gemeinsamer Kraft gegen die Genitalverstümmelung vorzugehen.“
Der Verein NALA – Bildung statt Beschneidung e.V. arbeitet seit der Gründung 2012 in Deutschland und Burkina Faso. Der Fokus liegt auf Aufklärung, vor allem über die dauerhaften gesundheitlichen Folgen. Seit seiner Gründung unterstützt NALA e.V. das Ausbildungszentrum ABN (Association Bangr-Nooma - Nichts ist besser als Wissen) mit der Präsidentin Rakieta Poyga in Ouagadougou. Dort wird Aufklärung gegen FGM und Hilfe zur Selbsthilfe geleistet. Im vom Verein gebauten Nalahaus finden u.a. gynäkogologische Untersuchungen statt. Die Frauen erhalten Medikamente, Beratung und Hilfe. ABN veranstaltet Fortbildungen mit den Regionalkönigen, die eine große Unterstützung gegen die tiefverankerte Tradition sind. In Deutschland ist das Ziel, Aufklärung und Sensibilisierung, aber auch praktische Hilfe für betroffene oder bedrohte Mädchen und Frauen. Es gibt eine Mädchengruppe in München. Die betroffenen Mädchen werden engmaschig begleitet und unterstützt. www.nala-fgm.de
Plan International engagiert sich seit 2003 in mehreren Ländern Afrikas gegen weibliche Genitalverstümmelung, u.a. in Ägypten, Äthiopien, Burkina Faso, Guinea, Guinea-Bissau, Mali und Sierra Leone. So führt die Kinderrechtsorganisation beispielsweise in Guinea in Zusammenarbeit mit den lokalen Regierungen Informationsveranstaltungen in mehr als 80 Gemeinden durch, hilft beim Aufbau von Beratungsstellen und sorgt für alternative
Einkommensquellen für ehemalige Beschneiderinnen. In Deutschland bietet Plan International Schulungen und Fortbildungen für Fachkräfte aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich an, so dass diese für die besonderen Bedürfnisse von betroffenen und gefährdeten Mädchen und Frauen sensibilisiert sind.
#TheOtherVulva ist die Abschlussarbeit der 25-jährigen Filmemacherin Sarah Fürstenberg im Rahmen ihres Studiums an der Hamburg Media School. Der zweitägige Dreh fand im Juli 2020 statt, die Darstellerin in dem Spot ist die in Benin geborene Angelina Akpovo. Sie und eine 15-köpfige Crew haben pro bono zur Entstehung des zweiminütigen Videos beigetragen.
Paneldiskussion mit Livestream: Für alle, die mehr über den Umgang mit weiblicher Genitalverstümmelung und die Entstehung des Videos wissen wollen: Dieses werden auch die Themen des Online-Panels „Gemeinsam gegen Genitalverstümmelung“ von NALA e.V. und Plan International sein, der am 5. Februar um 13:00 Uhr stattfindet und zu dem es einen Livestream gibt. Per Chat können Fragen an Fadumo Korn von NALA e.V., an Edell Otieno-Okoth von Plan International Deutschland und an die Filmemacherin Sara Fürstenberg gestellt werden (Livestream beendet)
Auch die neue Folge der Podcast-Serie Menschenskinder von Plan International ist dem Thema Genitalverstümmelung gewidmet. Im Gespräch mit Moderatorin und Schauspielerin Marion Kracht berichtet Plan-Referentin Edell Otieno-Okoth ab dem 5. Februar über ihre Erfahrungen mit Betroffenen: Zum Podcast